Rund ein dreiviertel Jahr ist es nun her, das ich meine neueste ebay-Errungenschaft in die heimischen Gefilde überführt habe. Eine ziemlich rotte Z 1000 J hatte ich ersteigert, nur um was zum Schrauben zu haben. Nur dafür? Na ja, irgend wann will ich auch mal damit fahren, aber das hat Zeit!
Genau da sind wir jetzt beim Thema. Wurde ich Anfangs noch bei jedem Treffen mit meinen Kumpels gefragt "Hey, wie weit biste denn?", gefolgt von den drängenden Wünschen persönlich der Fortgang in Augenschein nehmen zu können, hat das Interesse inzwischen abgenommen.
Woran liegt es? Geht es nicht weiter? Mitnichten! Das Fahrwerk ist fertig, die Elektrik komplett überholt und der Kabelbaum neu gewickelt, alle Schrauben erneuert oder verchromt und Teile, wie der Fußbremszylinder, komplett überholt. Im Grunde muß ich nur noch den Motor fertig machen (zerlegt ist er schon) und lackieren und dann bin ich fertig.
Fertig? Ja, leider...
Ja, wie jetzt? Ist der Typ völlig durchgeknallt? Jeder andere würde vor Freude in die Hände klatschen und sich freuen auf die Zielgerade eingebogen zu sein. Mir geht es aber im Gegenteil hundeelend dabei. In den vergangenen Monaten hat sich das neue Familienmitglied in mein Herz geschmuggelt und ich ertappe mich immer öfter dabei Abends noch mal eben in die Werkstatt runter zu schleichen, ne Flasch Bier zu köpfen, eine nette Cd einzulegen und den Stuhl zurecht zu rücken.
Und dann beginnt ein inzwischen liebgewonnenes Ritual. Die Dire Straits trällern im Hintergrund "Brothers in Arms" und ich schau mir mein Werk an und kann gar nicht genug davon bekommen. Teile, die im zusammengebauten Zustand kein Mensch mehr eines Blickes würdigt bekommen plötzlich eine eigene und irgendwie auch besondere Estetik.
Ob es die bunten Kabel sind, die unverschämt sauber ihre zum Teil grellen Farben präsentieren. Oder der wunderschön verrippte Ignitor, der mit seiner Umgebung in fast schon klinischer Sauberkeit um die Wette strahlt.
Dann sind da die frisch verchromten Federn an Ständern, Hebeln und Schaltern. Wunderschön glänzen sie, das Licht spiegelt sich darin und ich gerate ins träumen.
Je länger ich hinsehe, desto mehr Details fallen mir auf und ich kann gar nicht genug davon bekommen! Da die wunderbare Maserung auf den Flanken der Fußrastenplatten, die im Original einfach schwarz übergetüncht ist und kaum zur Kenntnis genommen wird. Hier die Exenter der Fischer-Kastenschwinge, die im Zusammengebauten ZUstand zum Teil von der Achsmutter verdeckt und somit regelrecht entstellt werden. Dort die schön verchromte Rückseite des Rücklichts, die zusammengebaut ihr Dasein im Schatten des Heckbürzls verbringt.
Ich sage Euch, es ist eine einzige Qual weiter zu machen! All das und natürlich auch diese wunderbar intensiven Momente in einsamer Zwiesprache mit dieser Skulptur, die nur zufällig in der Werkstatt wohnt, es wird mir fehlen!
Und dann kommt er, der Vergleich zu einem guten Buch - zu einem wirklich sehr gutem Buch: Je besser es ist, je spannender die Handlung, desto schlimmer das Grausen vor dem Ende! Gleichzeitig kann man es nicht erwarten und sieht andererseits aber auch die unendliche Leere danach auf sie zukommen. Eben noch völlig von der Handlung gefesselt, im nächsten Moment in die Einsamkeit und Ratlosigkeit entlassen.
Hoffentlich bin ich nicht allein so durchgeknallt!?!
Gis