Moin auch
Morgen gibts die neue MO an der Tankstelle. Kaufen
Da steht das Ganze nochmal etwas anders und mit schönen Fotos drin.
Bis dahin schionmal die Zett-Version.
Karl Valentin: „Es ist schon alles gesagt worden – aber noch nicht von jedem“
Die Sache mit dem Prüfstand
Ich weiß, daß viele Männer davon träumen, von Naomi Campbell mal so richtig lecker bekocht zu werden. Das kann ich aber nicht ganz nachvollziehen, denn das Schönste, was es gibt auf der Welt, das ist ein Prüfstand.
Um den Prüfstand ranken sich die wildesten Geschichten. Da wird gestritten über Kupplungsleistung oder Hinterradleistung. Es gibt Klimafaktoren, Messung nach DIN, nach EG-Norm, Schleppleistung, Schlupf und so weiter. Nicht selten trifft man auf die Befürchtung, daß ein Prüfstandslauf den Motor extrem belasten würde. Mindestens genau so häufig sind Diskussionen darüber, welcher Prüfstand eher tiefstapelt (Ein Naturgesetz: Immer der, auf dem man selber war) oder welcher überhöhte Werte anzeigt (Alle anderen).
Ganz so kompliziert ist es aber garnicht.
Fangen wir einfach mal von vorne an. Auf dem am weitesten verbreiteten Prüfstand, dem Rollenprüfstand, treibt das Hinterrad eine Rolle an. Damit haben wir schon gerechnet. Für viele überraschend ist das Gewicht dieser Rolle. Üblich ist eine knappe halbe Tonne. Sie ist aber leichtgängig gelagert und es ist kein Problem, sie mit einem frisierten Mofa von Null auf 100 Km/h zu beschleunigen. Selbstverständlich klappt das auch mit einer 175 PS 1300er Hayabusa. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden besteht in der Zeit, die sie dafür benötigen. Die Hayabusa erledigt das Ruckzuck, während das Mofa recht lange braucht. Und damit haben wir auch schon das Prinzip des Rollenprüfstands begriffen. Je schneller ein Motor die Rolle beschleunigen kann, umso mehr Leistung hat er.
Im obigen Beispiel haben wir noch ein recht großes Messintervall genommen. Die Intervalle lassen sich dank moderner Technik aber auch sehr viel kleiner wählen. Wie schnell beschleunigt der Motor zum Beispiel die Rolle von 91 auf 92 Km/h?. Wenn wir diesen Wert ermittelt haben, die dazugehörige Drehzahl und ein paar Formeln kennen, könnten wir einen Punkt im Leistungsdiagramm einzeichnen. Der angeschlossene PC ist aber schon so freundlich und errechnet während des Laufs so viele dieser Punkte, daß es für eine richtige Kurve reicht.
Die Belastung des Motors auf dem Prüfstand ist dabei nicht höher als im Normalbetrieb. Sie ist sogar etwas geringer, weil selbst im letzten Gang das komplette Drehzahlband in ca. 15 Sekunden durchfahren wird. Einmal kurz Topspeed auf der Autobahn setzt ihm mehr zu.
Das war´s im Wesentlichen eigentlich schon.
Kommen wir jetzt zu den Details
Eben haben wir die Leistung am Hinterrad ermittelt. Die Hinterradleistung ist aber weniger aussagekräftig als oft behauptet wird. Es gibt einige gute Gründe die dafür sprechen, die Kupplungsleistung zu messen.
Dafür lassen wir am Ende der Messung den Motor mit gezogener Kupplung ausrollen. Jetzt muß die Rolle das Hinterrad, den Endantrieb und das Getriebe drehen. Dabei wird sie durch die Reibung langsam abgebremst. Anhand der Verzögerung errechnet der Computer die sogenannte Schlepp- oder Verlustleistung. Die addiert er zur Hinterradleistung und kommt so auf die Leistung an der Kupplung.
Dieser Wert ist deswegen aussagekräftiger, weil es einige Faktoren gibt, die eine Messung der reinen Hinterradleistung verfälschen können. Ein schlapp aufgepumpter Reifen oder ein verschlissener Kettensatz sind mögliche Fehlerquellen. Manchmal werden die Motorräder zusätzlich mit Spanngurten auf dem Prüfstand festgezurrt, um den Schlupf zu reduzieren, wodurch der Reifen aber auch stärker walkt. Der gleiche Effekt tritt ein, wenn der Knabe, der bei der Messung auf dem Motorrad sitzt, 130 Kilo wiegt. Auch hier wird die Hinterradleistung niedriger sein, als bei einem 45 Kilo Mädchen.
In all diesen Fällen kann die eingerechnete Verlustleistung die Differenzen weitgehend ausgleichen und so für objektivere Werte sorgen.
Ein anderer wichtiger Faktor ist die Klimakorrektur. Der Hintergrund dafür sind Leistungsschwankungen, die dadurch entstehen, daß ein niedriger Luftdruck und eine hohe Umgebungstemperatur die Leistung des Motors reduzieren. Das kennen wir alle: Wir fahren an einem sonnigen, kühlen Morgen durch ein Waldstück und der Motor fühlt sich auf einmal so richtig wohl. Um Messungen vergleichbar zu machen, die unter verschiedenen äußeren Bedingungen stattfinden, errechnet der Computer anhand der Klimadaten einen Korrekturfaktor, der in das Messergebnis einfließt. Dabei wird üblicherweise nach DIN oder EG-Norm korrigiert. Die EG-Norm berücksichtigt zusätzlich auch die Luftfeuchtigkeit und geht von anderen Grundwerten aus, so daß die Ergebnisse in der Regel etwas unter denen der Messung nach DIN liegen.
Bei Angaben, die sich auf die Kurbelwellenleistung beziehen, wird einfach nur die Kupplungsleistung, je nach Motorenbauweise, nochmal pauschal um ein paar Prozent hochgerechnet, die den Verlust berücksichtigen, der bei der Kraftübertragung von der Kurbelwelle auf die Kupplung entsteht.
Dieses Durcheinander an Leistungsangaben sorgt immer wieder für ausgiebigen Diskussionsstoff auf Treffen, in Foren und an Stammtischen. Besonders beliebt ist erfahrungsgemäß die Nummer, die gemessene Kupplungsleistung des eigenen Motorrads als Hinterradleistung auszugeben und dann nochmal großzügige zehn Prozent Verlust aufzuschlagen. Hier wollen wir - im Zweifel für den stolzen Besitzer - annehmen, daß er vielleicht mitverfolgt hat, wie die Messung gemacht wurde und irrtümlich davon ausgeht, auf dem Diagramm die Hinterradleistung zu sehen.
Dadurch kann es auch dazu kommen, daß der Eindruck entsteht, bestimmte Prüfstände würden deutlich höhere oder niedrigere Werte anzeigen als andere. Bei gleicher Meßmethode weichen die Ergebnisse der verschiedenen Fabrikate tatsächlich kaum voneinander ab.
Aufgrund der Leistungskurve kann der Computer auch die Drehmomentkurve berechnen. Diese ist mindestens ebenso interessant, weil sie deutlicher erkennen läßt, wo der Motor besonders gut funktioniert und sich wohlfühlt. Auch das subjektive Empfinden der Leistung wird hier ziemlich genau abgebildet. Besonders wichtig ist die Drehmomentkurve, wenn es darum geht, die Ergebnisse von Tuningmaßnahmen zu beurteilen. Kleinere Durchhänger und Leistungsspitzen lassen sich viel leichter als auf der Leistungskurve erkennen.
Weil es leider in jeder Branche schwarze Schafe gibt, noch ein paar Sätze zu den Manipulationsmöglichkeiten.
Klimawerte lassen sich auch manuell eingeben. Auf diese Art kann man dem Motor, ohne einen Finger krumm gemacht zu haben, auf dem Papier zu 10% Mehrleistung verhelfen. Oder ein schwerer Kerl setzt sich während der Beschleunigungsphase fast auf den Tank und rutscht beim Ausrollen wieder ganz nach hinten. Der Leistungsgewinn liegt in der Region einer gut gemachten Kanalarbeit und ist mit erheblich weniger Aufwand verbunden. Geradezu phantastische Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn beim Ausrollen die Kupplung so gezogen wird, daß sie nicht vollständig trennt. Die Verlustleistung steigt gewaltig und ein glücklicher Kunde wird sich über schnell gefundene 20 PS freuen.
Wahrscheinlich im Wissen um diese Möglichkeiten hat sich schon vor längerer Zeit ein bekannter englischer Tunerkollege, dessen Name mir gerade entfallen ist, zu dem schönen Satz hinreißen lassen: Trau keinem Diagramm, das du nicht selbst gefälscht hast.
Bevor aber jetzt jemand auf falsche Gedanken kommt: Der korrekt bediente Prüfstand ist ein wunderbares, zuverlässiges Messwerkzeug.
Ich werde mich auf einem beerdigen lassen.
Dnf
Ulf